Motive erkennen und die Mitarbeitermotivation steigern
Nachdem wir uns im ersten Teil dieses blogs mit den Hintergründen von Motivation sowie den drei Basismotiven Anschluss, Leistung und Macht auseinander gesetzt haben, gehen wir im zweiten Teil nun verstärkt auf die Motive sowie den Motivbegriff ein:
Bei der Definition des Motivbegriffs wird eine Abgrenzung zu den Bedürfnissen eines Menschen vorgenommen. Denn nach Kuhl (2001) sind Bedürfnisse zunächst einmal nur Melder von Ist-Sollwert-Diskrepanzen. Beispielsweise führt eine Veränderung beim Blutzuckerspiegel früher oder später zu einem immer stärker wahrnehmbaren Hungergefühl. Das Bedürfnis sagt uns also, dass wir den Hunger stillen sollen, aber es sagt nicht, wie und wo! – Schnell- oder Edelrestaurant? Wo fühle ich mich wohl? Wie benehme ich mich jeweils dort richtig?
Hier kommt das Motiv in’s Spiel: Motive sind ausgedehnte, nicht vollständig bewusste, kognitiv-emotionale Netzwerke, die aus autobiografischem Erfahrungswissen abstrahiert wurden, um möglichst viele, dem jeweiligen Kontext angemessene Handlungsoptionen generieren zu können (sobald das Bedürfnis anwächst, das den Kern des jeweiligen Motivs ausmacht).
Julius Kuhl bezeichnet Motive daher auch als „intelligente Bedürfnisse“. Da wir Menschen im Laufe unseres Lebens (insbesondere in unseren frühen Lebensjahren) unterschiedliche Interaktionserfahrungen mit anderen Mitmenschen und den vielfältigen Umweltsituationen gemacht haben, führen Motive zu Unterschieden zwischen Personen hinsichtlich (a) der Bereitschaft, bestimmte Klassen von Zielen anzustreben, (b) der Art und Weise, Situationen bedürfnisgemäß zu interpretieren oder zu verändern und (c) des Ausmaßes, neue Situationen aufzusuchen oder zu schaffen, die mit dem jeweiligen Bedürfnis zusammenhängen.
Motivation durch richtige Anreize und günstige Umweltfaktoren
Durch die jeweils einzigartigen, autobiografisch prägenden Erfahrungen lassen sich leicht die interindividuellen Unterschiede im Verhalten von Menschen erklären. Doch warum verhalten sich Personen mit einem hohen Leistungsmotiv nicht immer durchgängig leistungsorientiert? Hier hilft die Betrachtung der intraindividuellen Unterschiede: Brandtstätter et al. (2013) weisen auf den Umstand hin, dass wir zwei einflussreiche Verhaltensdeterminanten übersehen würden, wenn wir ausschließlich die in der Person liegenden Faktoren (wie Motive, Bedürfnisse, Interessen und Ziele) verantwortlich machen. Denn nur wenn eine Person mit ihrer Präferenz für bestimmte Anreize (Motive) auf die dafür günstigen Umweltbedingungen (Gelegenheiten) trifft (in der die notwendigen Anreize vorhanden sind), wird sie ausreichend motiviert sein, um das entsprechende Verhalten zu zeigen: Motivation entsteht demnach im Zusammenspiel von Person- und Umweltfaktoren (vgl. Abb. 1):
Abb. 1: P x U-Schema (vgl. Brandstätter, Schüler, Puca und Lozo, 2013, Seite 6)
Das P x U-Schema
Das P x U-Schema lässt sich in die mathematische Formel V = P x U übersetzen, wobei sich das Verhalten als Funktion aus der multiplikativen Verknüpfung von Person- und Umweltfaktoren ergibt. Das bedeutet, dass ein (motiviertes) Verhalten ausbleibt, sobald einer der beiden Faktoren null ist. Beispielsweise würde sich eine Person mit einem kaum bis gar nicht vorhandenen Anschlussmotiv (Interesse an Geselligkeit) nicht von einer Partyankündigung angesprochen fühlen und der Einladung nicht folgen.
Andersherum bleibt man auch mit einem hohen Anschlussmotiv ziemlich einsam, wenn sich partout keine Gelegenheit bieten will, sich unters Volk mischen zu können, oder wenn eine Gruppe einfach nicht zu den eigenen Bedürfnissen passt (z. B. steifes Treffen, statt lockerer Small-Talk). Somit beantwortet allein die Beschreibung des P x U-Schemas mit Hilfe des Anschlussthemas die Frage, ob denn Motivation immer nur mit Leistung in Verbindung steht. Vor diesem Hintergrund gilt es insbesondere im Unternehmen darauf zu achten, dass die Motivation von Mitarbeitern einerseits durch die richtigen Anreize sowie andererseits durch Schaffung des passenden Umfeldes entsteht!
Drei große Motivklassen
Neben den drei „großen“ Motiven, mit denen sich die psychologische Forschung im Schwerpunkt befasst, gibt es natürlich im alltäglichen Leben auch viele weitere Anreizklassen, die sich theoretisch noch bilden ließen. Doch in der praktischen Anwendung und vor dem Hintergrund vergleichbarer Standards würde der Mehrwert diesbezüglich sehr rasch sinken. Trotzdem existieren hiervon unabhängig auch Ansätze, die eine größere Anzahl von wichtigen Motiven postulieren.
Im dritten Teil dieses blogs werden Sie erfahren, dass es sich nicht nur lohnt, die jeweiligen Person- und Umweltfaktoren genauer zu betrachten, um die Bedingungen für die Entstehung von motiviertem Handeln zu verstehen, sondern dass es ebenfalls bedeutsam ist, die Passung und Interaktion zwischen bewussten und unbewussten Motiven mit den Umweltbedingungen im Blick zu haben. Bleiben Sie gerne am Ball – es bleibt weiter spannend!
Quellen:
Brandstätter, V., Schüler, J., Puca, R. M. & Lozo, L. (2013). Motivation und Emotion: Allgemeine Psychologie für Bachelor (Kap. 6). Heidelberg: Springer.
Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit: Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.
McClelland, D. C., Koestner, R., & Weinberger, J. (1989). How do self-attributed and implicit motives differ? Psychological Review, 96(4), 690–702.
Motive verstehen und Mitarbeiter nachhaltig motivieren
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