Gute Entscheidungen im Unternehmen treffen
zwischen Big Data und kognitiven Heuristiken
Wie können Sie als Führungskraft gute Entscheidungen treffen und Ihr Unternehmen im Wettbewerb optimal aufstellen? Auf welche Kunden sollte sich Ihr Unternehmen fokussieren und wie können Sie die besten Kandidaten für eine vakante Position auswählen? Wie sollten Stockoptionen verteilt werden? Wo sollte der Internationalisierungsprozess begonnen werden?
Tagtäglich sehen sich Geschäftsführer, Gründerinnen und Manager mit der Herausforderung konfrontiert, gute Entscheidungen als Führungskraft treffen zu müssen. Eine gute Entscheidung erfordert natürlich Voraussicht im wortwörtlichen Sinne: Wer besser abschätzen kann, wie sich die Zukunft entwickelt, hat einen Vorteil. Klar ist allerdings auch: Absolute Sicherheiten gibt es nicht – die Kristallkugel, die uns verrät, was in der Zukunft passiert, wenn wir uns für die eine Möglichkeit entscheiden, muss erst noch erfunden werden. “Vorhersagen sind schwierig, besonders über die Zukunft” soll Niels Bohr gesagt haben. Die Frage lautet also: Wie können wir Entscheidungen treffen, um möglichst oft richtig und möglichst selten daneben zu liegen?
Klassische Entscheidungstheorie
Das Rezept “klassischer” Theorien rationaler Entscheidungen (Von Neuman & Morgenstern, 2007) liest sich einfach: Berechne den Erwartungswert aller Optionen. Konkret hieße das:
- Liste die erwartbaren Ergebnisse aller möglichen Entscheidungsoptionen auf und ordne ihnen einen Zahlenwert zu.
- Schätze die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis auch tatsächlich eintritt, wenn du die entsprechende Option wählst.
- Multipliziere den Zahlenwert der Ergebnisse mit der Wahrscheinlichkeit, um den Erwartungswert zu berechnen.
- Wähle die Option mit dem höchsten Erwartungswert.
Die Empfehlung an den Homo Oeconomicus lautet also: Sammle möglichst viele Informationen und wende möglichst viel Zeit und Ressourcen auf, um gute Entscheidungen zu treffen. Soviel zur Theorie. In der Praxis einer immer komplexeren, dynamischeren und schnelleren Wirtschaftswelt entscheiden Akteure oft unter erheblichem Zeitdruck, begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen und mit spärlichen Informationen. Die Berechnung von “optimalen” Entscheidungsoptionen ist unter diesen Bedingungen illusorisch.
Risiko und Unsicherheit
Diese Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis lässt sich mit der Unterscheidung von Risiko und Unsicherheit (vgl.: Knight, 1921; Keynes, 1921) erklären. Idealisierte Entscheidungsmodelle in den Wirtschaftswissenschaften, aber auch viele Experimente in der psychologischen Forschung zu Entscheidungen und der Verhaltennsökonomik unterstellen eine Situation des Risikos: Alle möglichen Ergebnisse, ihre Wertigkeit und die dazu gehörigen Wahrscheinlichkeiten sind bekannt. Unter diesen Bedingungen funktioniert die Berechnung von Erwartungswerten natürlich wunderbar – man kann z.B. sehr gut berechnen, wie viel Geld man im Erwartungswert verliert, wenn man Lotto oder Roulette oder spielt. Im Kontrast dazu bezeichnet Unsicherheit Situationen, in denen eben nicht alle Faktoren bekannt oder quantifizierbar sind – oder zumindest genau genug geschätzt werden können. Die Bestimmung von Erwartungswerten ist so schwierig bis unmöglich. Gleichzeitig werden die meisten (wirtschaftlichen und sonstigen) Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen.
Entscheidungen unter Risiko: Data & Analytics
Die Digitalisierung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Prozesse scheint die Situation allerdings zu ändern: Die Entstehung großer Datenmengen (Big Data) und die Entwicklung elaborierter statistischer Algorithmen verspricht, durch die Analyse verfügbarer Daten neue Zusammenhänge, Wahrscheinlichkeiten und Entscheidungsoptionen offen zu legen, um ökonomische Entscheidungen zu informieren. Durch die Anhäufung von Datenmengen (und eine korrekte Analyse) kann eine Situation mit hoher Unsicherheit gewissermaßen in Richtung einer Risiko-Situatio verschoben werden (im Sinne von Knight und Keynes).
In vielen Kontexten ermöglicht dieser Ansatz vormals ungeahnte Möglichkeiten. Das Geschäftskonzept von Unternehmen wie facebook, Google oder Amazon baut nahezu vollständig auf den Vorteilen der durch Big Data gewonnenen Erkenntnisse auf. Laut der International Data Corporation werden die globalen Investitionen in Data & Analytics (D&A) bis 2020 auf über $200 Milliarden wachsen (2017).
D&A erfordert Risikokompetenz
Das Vorhandensein von Daten und Statistiken ist allerdings auch noch kein Garant für gute Entscheidungen. Die Einschätzung der Datenqualität und die Interpretation statistischer Analysen für gute Entscheidungen erfordern Risikokompetenz (risk literacy; auch: statistische Kompetenz) – insbesondere bei den Entscheidern eines Unternehmens. In der Praxis bedeutet das zuallererst die Fähigkeit, Einschätzen zu können, ob die erhobenen Daten tatsächlich das messen, was für uns wichtig ist: Nur weil Zahlen zur Verfügung stehen, heißt das noch lange nicht, dass damit auch alles gemessen wurde, was eigentlich für das Unternehmen relevant ist oder dies adäquat wiedergeben (garbage in – garbage out)! Die Verfügbarkeit von “harten” Zahlen kann den trügerischen Eindruck von Sicherheit geben.
Ein Beispiel aus dem Bereich der Stadtplanung in Boston illustriert die Falle selektiver Datenerhebung. Um die Ausbesserung der vielen Schlaglöcher in der Stadt zu verbessern, führte die Stadt Boston die sogenannte StreetBump App ein, die durch Bewegungssensoren und GPS automatisch Schlaglöcher ortet, damit diese schnell repariert werden können (vgl.: Crawford, 2013). Da ältere und auch ärmere Teile der Bevölkerung allerdings seltener über Smartphones verfügen, wurden die verfügbaren Daten jedoch verzerrt – wodurch die Gefahr entsteht, dass Schlaglöcher gerade dort nicht repariert werden, wo es am nötigsten gewesen wäre (die Stadt Boston hat dieses Problem allerdings bemerkt und versucht, diese Verzerrung aufzufangen).
Kognitive Verzerrungen
Selbst wenn die verfügbaren Daten an sich brauchbar sind (das heißt, es wurde gemessen, was man auch messen wollte und die erhobenen Daten sind nicht verzerrt), lauern Denkfallen, die zu schlechten Entscheidungen führen können. Die von Daniel Kahneman und Amos Tversky (1979) vorgestellte Prospect Theory begründete die Verhaltensökonomik, die in den letzten Jahrzehnten viele dieser systematischen kognitiven Verzerrungen (engl.: Biases) beruhen, dokumentiert.
Diese “Verzerrungen” sind oftmals das “Nebenprodukt” von durchaus sinnvollen Denk-Tendenzen unseres Gehirns, die aber in Situationen von Risiko mit abstrakten, kontextlosen Informationen in die Irre führen können. Einige Beispiele illustrieren, wo Gefahren durch kognitive Verzerrungen lauern (Eine Liste aller bekannten kognitiven Biases kann auf Wikipedia abgerufen werden):
Regress zur Mitte
Angenommen, ein Verkaufsteam hat im letzten Quartal außergewöhnlich gute Ergebnisse erzielt und wurde überschwänglich gelobt. In diesem Quartal liegen die Ergebnisse allerdings deutlich hinter dem, was man aufgrund der letzten Erfolge erwarten würde (und entspricht vielleicht eher dem vorletzten Quartal). Ist das Lob dem Team zu Kopf gestiegen und hat zu Bequemlichkeit geführt? Das muss keineswegs der Fall sein. Der (potenzielle) Denkfehler besteht darin, dass der letzte verfügbare Datenpunkt gerne als Ausgangspunkt für die Beurteilung von Leistung genommen wird. Da in Bereichen wie dem Verkauf aber immer eine gewisse Zufallskomponente eine Rolle spielt, ist nach einer außergewöhnlich guten (oder schlechten) Leistung eine “natürliche” Annäherung an das (eigentliche) Mittelmaß zu erwarten. Dies kann zu der Annahme führen, dass die zu dem Zeitpunkt getroffene Maßnahme (z.B. Lob oder Tadel) ursächlich war für darauf folgende Veränderungen. Maßnahmen werden jedoch oftmals ergriffen, wenn KPIs wie Verkaufszahlen besonders stark von einem längerfristigen Mittelmaß variieren – und der Effekt dieser Maßnahme falsch eingeschätzt wird. Umgekehrt bedeutet der Anstieg von Leistung nach einem Tadel also auch nicht unbedingt, dass die Kritik zu einer besseren Leistung geführt hat. Der Regress zur Mitte ist in vielen Geschäftssituationen relevant und auch im Spitzensport, etwa Baseball, gut dokumentiert (z.B. Morrison & Schmittlein, 1981).
Confirmation Bias
Confirmation Bias bezeichnet unsere Tendenz, nach Daten zu suchen, die unsere vorherige Meinung bestätigen (z.B.: Nickerson, 1998). Dies kann bereits zu der oben beschriebenen Verzerrung eines Datensatzes führen – etwa, wenn Mitarbeiter angewiesen werden, nach Daten zu suchen, welche die Ideen der Geschäftsführerin bestätigen. Aber auch bei Entscheidungen mit brauchbaren Daten kann der Confirmation Bias dazu führen, dass die Zahlen, welche z.B. die ursprüngliche Strategie stützen, stärker berücksichtigt werden. Sind beispielsweise Daten gesammelt worden, um festzustellen, ob mehr Geld in R&D für die Entwicklung an einer neuen Produktlinie aufgenommen werden sollte, ist eine häufige Tendenz, selektiv nach Anhaltspunkten zu suchen, warum die favorisierte Strategie weiter verfolgt werden sollte. Das bedeutet dann nicht nur, dass Ressourcen für die Datenakquise verschwendet wurden, sondern führt ohne weiteres zu wirtschaftlich schlechten Entscheidungen. Eine bessere Strategie ist in diesen Situationen oftmals die der Falsifikation (Widerlegung): Was spricht gegen meine ursprüngliche Strategie?
Framing Effekte
Ein weiteres bekanntes Beispiel für eine kognitive Verzerrung ist der sogenannte Framing Effect: Je nachdem, wie bestimmte Zahlen beschrieben werden, tendieren wir zu unterschiedlichen Entscheidungsverhalten – obwohl die Zahlen die gleichen sind. Das führt zu einer Reihe von Entscheidungstendenzen (Levin et al., 1998):
- Wir tendieren dazu, eine Option positiver zu bewerten, wenn eine Eigenschaft positiv ausgedrückt wird (z.B.: Ein Produkt ist “95% fettfrei” im Gegensatz zu “enthält 5% Fett”).
- Wenn wir die Wahl haben zwischen einem kleineren, aber sicheren Gewinn (z.B. 100 Euro) und einem unsicheren, aber größeren Gewinn (z.B. eine 50% Chance auf 200 Euro), tendieren wir dazu, die sichere Variante zu wählen (Risikoaversion). Wird diese Wahl aber als Verlust ausgedrückt (also 100 Euro sicher verlieren oder 200 Euro mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% verlieren) kehrt sich das Verhalten um, sodass wir eher gewillt sind, zu “pokern”.
- Wir sind eher motiviert zu handeln, wenn uns ein Verlust angedroht wird (z.B. eine Strafzahlung, wenn wir später handeln), als wenn uns ein Gewinn angeboten wird (z.B. ein Nachlass für früheres Handeln).
Diese Tendenz kann dann zum Problem werden, wenn uns – bewusst oder unbewusst – bei der Präsentation von Entscheidungsoptionen nur ein Framing angeboten wird und so (geschäftliche) Entscheidungen von eigentlich unwichtigen Faktoren beeinflusst werden. Kognitive Verzerrungen können bei Weitem nicht nur im Zusammenhang mit Data & Analytics problematisch sein (vgl.: Bazerman & Moore, 2008), doch sind sie hier besonders relevant: Zum einen, weil Entscheidungen aufgrund großer Datenmengen zum einen am ehesten Risiko-Situationen (nach Knight und Keynes) entsprechen und zum anderen, weil das Vorhandensein vieler Daten und Statistiken ein Gefühl von Sicherheit geben können, das nicht immer gerechtfertigt ist – und so unter Umständen zu kostspieligen Fehlern führen (eine übermäßige Selbstsicherheit in Bezug auf die eigene Vorhersagekraft stellt übrigens einen weiteren Bias dar: Overconfidence) (Malmendier & Tate, 2005).
Entscheidungen unter Unsicherheit: “Nur” gut genug?
Data & Analytics als Entscheidungshilfte hat jedoch seine Grenzen. Zum einen erfordert der Aufbau eines Systems zur Gewinnung und Analyse großer Datenmengen beträchtliche finanzielle Investitionen, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oft nicht umsetzbar sind. Um die gewonnenen Erkenntnisse tatsächlich gewinnbringend nutzen zu könenn, ist zudem die strategische und strukturelle Integration von D&A in ein Unternehmen erfordertlich – eine Herausforderung, die laut Harvard Business Review bisher weniger als ein Viertel der befragten Unternehmen gemeistert haben (Carande et al., 2017). Ein weiteres, profanes Problem ergibt sich allerdings auch aus der Natur bestimmter Situationen: Oftmals gibt es schlicht keine oder nur wenige Daten bzw. Erfahrungswerte, auf die man für eine bestimmte Entscheidung zurückgreifen kann (Busenitz & Barney, 1997). Unsicherheit lässt sich eben nicht immer auf Risiko reduzieren. Doch wie sollten Manager und andere Executives in diesen Situationen Entscheidungen treffen?
Herbert A. Simon dokumentierte bereits 1955, dass die Entscheidungsfindung von Managern mit begrenzter Zeit, Informationen und Rechenkapazität in der Praxis kaum denen klassischer Entscheidungstheorien entsprechen. Vielmehr beobachtete er, dass sich Manager und Geschäftsführer auf einfache Faustregeln, sogenannte kognitive Heuristiken, verließen, um Entscheidungen zu treffen, die mindestens “gut genug” waren. Das möglichst gute Entscheiden unter hoher Unsicherheit wird entsprechend in der Literatur als “eingeschränkte Rationalität” (Bounded Rationality) bezeichnet. Bedeutet das, dass eine Entscheiderin etwa in KMU notwendigerweise zwischen Investition (Zeit, Geld, kognitive und personelle Ressourcen) und Qualität einer Entscheidung abwägen muss (effort-accuracy trade-off, vgl.: MacKay,1982)? Nicht unbedingt:
Weniger kann mehr sein: Adaptive Heuristiken
Die Erkenntnisse von Herbert Simon waren durchaus optimistischer als der Begriff “eingeschränkte Rationalität” nahelegt. Tatsächlich implizierte Simon, dass kognitive Heuristiken in einer gegebenen Situation oftmals (nahezu) optimale Entscheidungsstrategien darstellen. Eine (vereinfachte, theoretische) Version der 37%-Regel oder Satisficing-Heuristik illustriert dies: Angenommen, Sie möchten eine neue Position in ihrem Unternehmen besetzen und dafür den besten Kandidaten bzw. die beste Kandidatin aus 100 BewerberInnen auswählen. Dazu laden Sie die Bewerber nacheinander zum Gespräch. Allerdings müssen Sie sich direkt nach dem jeweiligen Bewerbungsgespräch entscheiden, ob Sie diesen Kandidaten einstellen oder den nächsten Kandidaten einladen. Wann sollten Sie Ihre Suche stoppen und einen Kandidaten einstellen? Die Antwort lautet hier 37. Das heißt natürlich nicht, dass Sie einfach den oder die Kandidatin Nummer 37 einstellen. Vielmehr stellen Sie bis dahin niemanden ein und kalibrieren gewissermaßen Ihren Erwartungshorizont (“aspiration level”). Danach stellen Sie den ersten ein, der Ihren Erwartungshorizont übertrifft. Mathematisch maximieren Sie so die Wahrscheinlichkeit, den besten Kandidaten zu finden und einzustellen (vgl.: Christian & Griffiths, 2016). Das Forschungsprogramm zur ökologischen Rationalität hat herausgefunden, dass in Situationen von Unsicherheit einfache, adaptive Entscheidungsheuristiken nicht nur aufgrund begrenzter Ressourcen die beste Wahl sind, sondern komplexen Entscheidungsverfahren teilweise sogar überlegen sind (Gigerenzer & Brighton, 2009). Dies liegt unter anderem daran, dass fehlende Daten oft nur schwer geschätzt werden können oder der Einfluss bestimmter Faktoren überhaupt nicht bekannt ist (sogenannte “unkown Unkowns”). Zudem gibt es einen Unterschied zwischen der detaillierten retrospektiven Erklärung von Ereignissen und der Vorhersage von Ereignissen (Neth, 2014). Zwei Beispiele aus der Geschäftswelt illustrieren, dass weniger manchmal mehr sein kann (für eine ausführlichere Beschreibung siehe Artinger et al., 2014):
Hiatus Heuristik
Wübben und Wangenheim (2008) untersuchten, wie Führungskräfte Ihre Kundinnen und Kunden als “aktiv” und “inaktiv” einstufen. Sie nutzen die einfache Hiatus Heuristik: Wenn ein Kunde in einem bestimmten Zeitraum nichts gekauft hat, wird er als inaktiv eingestuft. Die jeweilige Zeitspanne variierte je nach Bereich: Bei einer Fluggesellschaft und einem Einzelhändler für Kleidung betrug der Zeitraum neun Monate, bei einem Online-CD-Händler sechse Monate. Bezeichnenderweise sagte diese Heuristik das zukünftige Kaufverhalten der Kunden mindestens genauso gut und teils besser vorher als komplexere statistische Verfahren (z.B. Pareto/Negative Binomial Distribution Modell), die zusätzliche Informationen wie Kauffrequenz, Volumen von Bestellungen und den Zeitpunkt zurückliegender Käufe berücksichtigten.
“Naive” Diversifikation
Wie diversifizieren Sie am besten Ihre Aktienoptionen? Laut einer Studie von DeMiguel und anderen (2009) am besten, indem Sie ihr Geld gleichmäßig auf die verfügbaren Stockoptionen verteilen (daher wird sie auch “1/N” genannt, wobei “N” der Anzahl der verfügbaren Optionen entspricht). Die Forscher verglichen die Performanz von 14 Anlagemethoden. Neben der “naiven Diversifikationsstrategie” (Benartzi & Thaler, 2001) der Gleichverteilung wurden 13 komplexe statistische Modelle wie die relativ komplexe Mean-Variance- Methode (“Sample-based Mean-Variance Model”) des Nobel-Gedächtnispreis-Trägers Markowitz und anderen (2000) getestet.
Dabei wurden die 13 komplexen Verfahren mit den Daten von 10 Jahren des US-Aktionmarktes “trainiert”, um ihre Parameter zu kalibrieren (1/N erfordert hat keine Parameter, die geschätzt werden müssen) und sollten damit Monat für Monat die Performance der Aktien vorhersagen. Gemessen anhand üblicher Finanzkriterien (Sharpe ratio, certainty-equivalent return) konnte keine der komplexen Methoden 1/N konstant schlagen. Vielmehr erzielte 1/N langfristig oft höhere Gewinne. Oftmals folgt unser Bauchgefühl bzw. unsere Intuition kognitiven Heuristiken (etwa beim ersten Eindruck, den wir von jemandem haben). Heuristiken können aber auch ganz bewusst entwickelt und eingesetzt werden.
Wie können Sie Entscheidungen als Führungskraft verbessern?
In Ermangelung einer magischen Kristallkugel, die Ihnen in jeder Situation die Zukunft ganz genau vorhersagen kann: Was ist die beste Möglichkeit, um Ihre eigenen Entscheidungen und die Entscheidungen Ihres Unternehmens zu verbessern? Die Antwort lautet wohl, dass sie Ihre mentale Adaptive Toolbox, die all Ihre Entscheidungsstrategien enthält, erweitern, kultivieren und verfeinern. Drei Ansatzpunkte scheinen dabei besonders vielversprechend zu sein:
Entscheidungssituation kennen (Strategieselektion)
Keine Entscheidungsstrategie ist in jeder Situation sinnvoll. Daher ist es wichtig, dass Sie einschätzen können, in was für einem Entscheidungskontext (auch: Entscheidungsumwelt) Sie sich befinden. Eine hilfreiche Unterscheidung ist die zwischen Entscheidungen unter Risiko und unter Unsicherheit. Genau genommen handelt es sich hierbei um ein Kontinuum zwischen Situationen, in denen Sie eher über viele Erfahrungswerte, Zeit und Ressourcen verfügen (Risiko) und solchen, in denen Zeit und Ressourcen knapp sind und Ihnen nur wenige Daten und Erfahrungswerte zur Verfügung stehen (Unsicherheit; vgl.: Gaissmaier & Neth, 2016). Im ersten Falle sind komplexe Entscheidungsverfahren wie Logik und Statistik die beste Wette. Im zweiten Falle eher einfache, heuristische Entscheidungsstrategien und Ihre Intuition.
Risikokompetenz entwickeln
Für Risikosituationen bzw. bei der Verwendung von Data & Analytics ist es sinnvoll, ein grundlegendes Verständnis für Statistik zu entwickeln. Das muss nicht bedeuten, dass Sie Formeln auswendig lernen: Vielmehr geht es darum, einige Grundkenntnisse zu gewinnen und eine gewisse Kompetenz bei der Einschätzung von statistischen Ergebnissen zu entwickeln: Wie gut messen die Daten das, was für mich wichtig ist? Kann man von einer Stichprobe gut verallgemeinern oder ist sie möglicherweise zu klein, verzerrt oder hat wichtige Faktoren außer Acht gelassen? Zusätzlich ist es hilfreich, wenn Sie sich mit den wichtigsten kognitiven Verzerrungen (Biases) vertraut machen und sich und Ihre Mitarbeiter darin trainieren, diese zu vermeiden (Debiasing).
Adaptive Heuristiken kultivieren
Die gute Nachricht ist, dass Sie bereits über einen reichen Schatz an Faustregeln und relativ einfachen, wenig zeitaufwändigen Entscheidungsstrategien verfügen. Auch Unternehmen entwickeln ihr eigenes Set an Heuristiken, das sie im Laufe der Zeit verfeinern (vgl.: Bingham & Eisenhardt, 2011). Doch auch hier können Sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehr herausholen – etwa, in dem Sie Ihre Heuristiken explizit machen und (wenn möglich) variieren. Adaptive Heuristiken sind im übrigen auch im D&A-Bereich anwendbar. Tatsächlich sind viele kognitive Heuristiken vereinfachte Varianten von komplexeren statistischen Verfahren, die unter bestimmten Umständen bessere Vorhersagen erlauben, indem sie bewusst verfügbare Informationen ignorieren.
Gastbeitrag von Jan Dirk Capelle
Quellenangaben:
Artinger, F., Petersen, M., Gigerenzer, G., & Weibler, J. (2015). Heuristics as adaptive decision strategies in management. Journal of Organizational Behavior, 36(S1).
Bazerman, M. H., & Moore, D. A. (2008). Judgment in managerial decision making.
Benartzi, S., & Thaler, R. H. (2001). Naive diversification strategies in defined contribution saving plans. American economic review, 79-98.
Bingham, C. B., & Eisenhardt, K. M. (2011). Rational heuristics: the ‘simple rules’ that strategists learn from process experience. Strategic Management Journal, 32(13), 1437-1464.
Busenitz, L. W., & Barney, J. B. (1997). Differences between entrepreneurs and managers in large organizations: Biases and heuristics in strategic decision-making. Journal of business venturing, 12(1), 9-30
Carande, C., Lipinski, P., Gusher, T. (2017). How to Integrate Data and Analytics into Every Part of Your Organization. Harvard Business Review
URL: https://hbr.org/2017/06/how-to-integrate-data-and-analytics-into-every-part-of-your-organization; abgerufen: 28.09.2017
Christian, B., & Griffiths, T. (2016). Algorithms to live by: The computer science of human decisions. Macmillan.
Crawford, K. (2013): The Hidden Biases in Big Data. Harvard Business Review
URL: https://hbr.org/2013/04/the-hidden-biases-in-big-data; abgerufen: 28.09.2017
International Data Corporation (2017). Worldwide Semiannual Big Data and Analytics Spending Guide. URL: https://www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=IDC_P33195; abgerufen: 28.09.2017
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