Positive Fehlerkultur und Vertrauen
Die Wechselwirkungen sind entscheidend!
Eine positive Fehlerkultur ist eine oft diskutierte, meiner Erfahrung nach aber auch nicht selten unterschätzte, wichtige Säule erfolgreicher Unternehmen und Organisationen. Warum das so ist und welche Wechselwirkungen hier mit der Vertrauenskultur und anderen, wichtigen Bausteinen erfolgreicher Führung bestehen, möchte ich in diesem Beitrag beschreiben. Also, los geht’s, starten wir durch:
Wenn ich in meinen Veranstaltungen von positiver Fehlerkultur spreche, wird dieses Thema immer gerne und bestätigend von den Teilnehmern aufgenommen. Hier einige Beispiele dazu:
- „Ja, eine positive Fehlerkultur ist sehr wichtig. Wir haben das in unserem Leitbild verankert!“
- „Ein Fehler kann passieren, er sollte nur nicht zweimal vorkommen!“
- „Fehler kann jeder machen, das gehört einfach dazu!“
- „Bei uns werden Fehler verziehen!“
Dr. Holger Schmitz im Kurz-Video über Positive Fehlerkultur, Vertrauen und Innovationsfähigkeit
Wie sieht die Praxis aus?
Drei wichtige Bausteine mit Wechselwirkungen
So weit so gut, besteht im Grunde immer eine gewisse Einigkeit darüber, dass eine positive Fehlerkultur als wichtig und notwendig erachtet wird. Worauf ich in meinen Veranstaltungen auf der Basis dieser Wahrnehmungen im Kern hinaus möchte, ist ein grundlegender, darüber hinausgehender Zusammenhang aus drei wichtigen Bausteinen, die eng miteinander verzahnt sind. Hierbei handelt es sich um die Wechselwirkungen aus diesen drei Bausteinen:
- Umfassende Vertrauenskultur
- Positive Fehlerkultur
- Innovationsfähigkeit einer Organisation
Gemeint ist hiermit folgende Beziehung der drei Begriffe zueinander:
Eine umfassende Vertrauenskultur ist die grundsätzliche Basis für eine positive Fehlerkultur und hat nachgelagert auch direkte Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit einer Organisation bzw. eines Unternehmens. Dieser Zusammenhang ist gut an einem kleinen Beispiel zu erklären:
Nehmen wir an, dass das Vertrauen zwischen einer Führungskraft und einem Mitarbeiter nicht besonders gut ausgeprägt ist. Wie hoch ist in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit, dass der Mitarbeiter mit einer neuen Idee zu seiner Führungskraft gehen wird, wenn hierbei auch immer die Gefahr des Scheiterns dieser (innovativen) Idee besteht und der Mitarbeiter hierfür vielleicht später „abgestraft“ wird? Ich denke, die Antwort ist einfach und kann von jedem selbst gegeben werden. Selbst wenn in diesem Fall das Leitbild oder der Wertekodex eine positive Fehlerkultur zum Ziel setzt, wird dieses ohne eine belastbare Vertrauenskultur kläglich scheitern.
Was möchte ich mit diesem kurzen Praxis-Einwurf sagen? Erstens sollte der Themenkomplex „positive Fehlerkultur“ niemals isoliert und nur für sich betrachtet werden, sondern immer im Kontext mit der Vertrauenskultur und der Innovationsfähigkeit einer Organisation. Zweitens reicht es nicht aus, eine positive Fehlerkultur nur schriftlich zu postulieren, sondern diese muss vor allem im Tagesgeschäft (vor)gelebt werden. Drittens ist Vertrauen DER zugrundeliegend, essenzielle Führungskernwert, um den es bei Fehlerkultur im Kern geht. Die Kernbotschaft: Ohne Vertrauen keine positive Fehlerkultur!
Vertrauen ist DER Kit
für eine positive Fehlerkultur
Letztlich ist eine umfassende Vertrauenskultur zwischen Menschen DER Kit für eine belastbare, positive Fehlerkultur und die daraus folgende Innovationsfähigkeit einer Organisation. Und genau hier „trennt sich die Spreu vom Weizen“, wie man so schön sagt! Denn in der Praxis leuchten die Worte „positive Fehlerkultur“ im Leitbild oder im Wertekodex doch manchmal heller, als es im Tagesgeschäft bei den Mitarbeitern wahrgenommen wird. Und genau darin liegt eine große Gefahr:
Denn wenn postulierte, schriftliche Dokumente nicht die Realität abbilden, wird es gefährlich! Warum? Weil dann Unglaubwürdigkeit entsteht, keine Authentizität zwischen „Wort und Tat“ vorhanden ist und Menschen anfangen, sich zunehmend abzuwenden. In solchen Fällen erreichen postulierte Formulierungen auf Hochglanzdokumenten leider eher das Gegenteil dessen, was eigentlich erreicht werden soll. Die konkreten, in der Praxis zu beobachtenden Folgen lauten: Zunehmender Vertrauensverlust, Resignation bei Mitarbeitern, um sich greifende Demotivation, Dienst nach Vorschrift und irgendwann auch Kündigungen von TOP-Mitarbeitern!
Man kann sich leicht vorstellen, welche Spirale hier in Gang gesetzt wird und wie das schlimmstenfalls ausgehen kann. Ich finde, das sollte nicht sein! Und genau deshalb versuche ich immer wieder auf die wichtigen Wechselwirkungen von Vertrauenskultur, Fehlerkultur und Innovationsfähigkeit hinzuweisen, weil es ein komplexes, zusammenhängendes Gebilde ist, das ein authentisches Vorleben mit einer bewussten ECHTHEIT seitens der Führung benötigt. Wer diesen Zusammenhang versteht und umsetzt, wird meiner Erfahrung nach immer eine „reichhaltige Ernte“ einfahren! Hierz gebe ich Dir einfach mal ein kleines Beispiel aus meiner Zeit als Geschäftsführer eines Unternehmens aus dem Anlagenbau:
Ein Beispiel aus der Praxis
wie ich es selber erlebt habe
Wir hatten damals einen neuen, sehr jungen Mitarbeiter in der Kalkulation eingestellt. Wie mir nach einigen Wochen zu Ohren kam, ein begabter, motivierter junger Mann mit Potenzial nach oben. Nun begab es sich nach einiger Zeit, dass er bei einem Kundenangebot im siebenstelligen Bereich (für einen wichtigen Bestandskunden) einen großen Fehler eingebaut hatte (Angebotspreis um ca. 250 T€ zu hoch kalkuliert).
Beim Erstellen des Angebotes war er bereits unsicher hinsichtlich der betreffenden Stelle im Angebot, wollte aber seinen Vorgesetzten nicht mehr fragen, da dieser bereits zum Feierabend das Büro verlassen hatte und der betreffende Tag ein Mittwoch vor einem Feiertag war. Sein Grundgedanke: „Ich möchte meinen Vorgesetzten jetzt nicht mehr stören!“
Da dem Kunden das Angebot spätestens für den betreffenden Mittwoch zugesagt war, damit er dieses über das lange Wochenende prüfen konnte, nahm die Problematik ihren Lauf: … das Angebot ging mit dem Fehler raus … der Kunde prüfte das Angebot über den Brückentag … bis zum nächsten Montag war aufgrund des Brückentages kein weiterer Kontakt zwischen uns und dem Kunden möglich … irgendwann kam dann der Montag …
„Wir haben ein größeres Problem!“
An diesem Montag klingelte direkt nach meiner Ankunft im Büro das Telefon und der Teamleiter des jungen, neuen Mitarbeiters war am Telefon: „Holger, wir haben da ein größeres Problem!“ Er beschrieb mir nachfolgend die Situation und ich verstand, um was es ging. Ich sagte zum Teamleiter: “ Am besten wir drei besprechen das sofort und in Ruhe, um eine Lösung zu finden!“
Fünf Minuten später saßen wir zu Dritt in meinem Büro und natürlich war das Unbehagen des jungen Kollegen als auch des Teamleiters zu spüren. Ich versuchte sofort die Spannung rauszunehmen: „Okay, ich habe das Problem verstanden! Lass uns nach vorne schauen. Fehler passieren! Wichtig ist jetzt, wie wir das in den Griff bekommen können. Was haltet Ihr davon, wenn wir den Kunden direkt gemeinsam anrufen, das Problem schildern und versuchen eine Lösung zu finden? Gesagt, getan, genau darauf lief es hinaus:
Zum Glück erreichten wir den Kunden, dem der sehr hohe Preis natürlich im Rahmen seiner Prüfung aufgefallen war. Wir konnten ihm die vorliegende Situation erklären, uns bei ihm entschuldigen und ihn dabei gut argumentativ abholen. In kurzer Zeit bekam er ein überarbeitetes Angebot, unterschrieb recht schnell bei uns einen Anlagenbauvertrag und ist nach meinem aktuellen Kenntnisstand heute ein sehr erfolgreicher Anlagenbetreiber! Was will man mehr?
Im Nachgang zu dem Telefonat besprachen wir nochmal die vorliegende Situation und gaben dem jungen Kollegen mit auf den Weg, dass er sich jederzeit bei seiner direkten Führungskraft oder im Bedarfsfall bei mir melden kann, wenn er unsicher ist, Fragen hat oder Hilfestellungen braucht. Vor allem aber habe ich ihm noch folgendes mit auf den Weg gegeben:
Fehlerkultur: Gestalte die Zukunft positiv!
und verharre nicht in der Vergangenheit
„Manuel (Name redaktionell geändert), mir ist zu Ohren gekommen, dass Du ein sehr talentierter, gewissenhafter und belastbarer junger Kollege bist. Das ist hervorragend! Du bist auf einem sehr guten Weg! Solche Fehler können passieren. Wichtig ist, daraus zu lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Du bist jung, hast noch viel Potenzial. Geh Deinen Weg weiter, den wir noch lange Zeit mit Dir gemeinsam gehen möchten!“
Zum weiteren Werdegang des jungen Kollegen möchte ich hier nicht zu viel ausführen. Nur soviel: Der Kollege machte eine tolle Entwicklung durch, übernahm zunehmend Verantwortung, brachte stetig neue Impulse ein und bei Firmen-Events tranken wir gerne ein Bier zusammen und kamen dabei auch immer wieder auf die hier geschilderte Situation zu sprechen!
Ich denke, dieses Beispiel beschreibt recht gut, wie wichtig eine intakte Vertrauenskultur ist, um eine positive Fehlerkultur zu erreichen und die Innovationsfähigkeit einer Organisation zu sichern!
In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Erfolg dabei, ein vertrauensvolles Klima mit positiver Fehlerkultur zu etablieren und von nachhaltiger Innovationsfähigkeit zu profitieren! Mit einem kräftigen YNWA grüßt
Dr. Holger Schmitz
Leadership Development
mit der business elf® – Managementberatung
Vertrauenskultur und positive Fehlerkultur sind essenzielle Säulen für Innovationsfähigkeit in Unternehmen. Wenn Du mehr über dieses Thema wissen möchtest, stehen wir Dir gerne zur Verfügung. Du erreichst unsere Experten unter 05401 – 8969981 oder anpfiff@business-elf.de.
Weitergehende Informationen über positive Fehlerkultur und Vertrauen findest Du unter anderem hier:
- Hybride Führungskultur in Organisationen
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- Umweltmanagementsysteme mit dem Startup Biodivers
- Wirksame, bereichsübergreifende Vernetzungen herstellen
- Erik & Holger geben einen Blick hinter die Kulissen
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